Obermayer German Jewish History Award

Robert Kreibig

Berlin

Ohne Robert Kreibig stünde die frühere Synagoge im mecklenburgischen Röbel im Osten Deutschlands heute wahrscheinlich nicht mehr. Die Pogromnacht hatte das Gebäude überstanden. Doch zu DDR-Zeiten als Garage genutzt und kaum instand gesetzt, war es in desolatem Zustand, als Kreibig 1998 darauf aufmerksam wurde. "Von der ursprünglichen Bedeutung wusste kaum noch jemand etwas, und Anfang der Neunziger gab es sogar Überlegungen, dieses Stück unangenehmer Erinnerung ganz zu ‚entsorgen'", sagt Kreibig, der im 140 Kilometer entfernten Berlin wohnt. 

Doch Robert Kreibig bewahrte das Haus vor dem Verschwinden, wie es das Schicksal der anderen Landsynagogen in der Region war. Unter seiner Leitung wurden nicht nur das Gebäude, sondern auch drei angrenzende Häuser restauriert. Zusammen mit einem Neubau bilden sie heute den "Engelschen Hof", ein Jugendbildungszentrum inklusive Jugendherberge, benannt nach einer alteingesessenen jüdischen Familie in Röbel. "Er ist ein Visionär, ein realistischer Visionär", sagt sein Freund Rabbi Andrew Steiman, der in den neunziger Jahren das Rabbinat in Mecklenburg mit aufgebaut hat. "Ich hätte das niemals für möglich gehalten, nachdem ich das Haus das erste Mal gesehen hatte."

Die Initialzündung seines Engagements für historische Gebäude erlebte Kreibig schon zu DDR-Zeiten, während er als Freiwilliger in seiner Heimat Mecklenburg bei der Instandsetzung des Schlosses Ulrichshusen mithalf. Nach der Wiedervereinigung gründete er den Verein "Land und Leute" mit, dessen Vorsitzender er heute ist. Ziel sollte es sein, Häuser von historischem Wert in Mecklenburg zu erhalten und sie über Kulturveranstaltungen wieder mit Leben zu füllen. Ursprünglich wollte er auch das Gebäude in Röbel in diesem Sinne wieder herrichten. Bald merkte er jedoch, dass dieses Projekt noch ganz andere Fragen berühren würde. "Wie konnte es sein, dass in einer kleinen Stadt, in der Generationen von Menschen friedlich miteinander gelebt hatten, im Nationalsozialismus in so kurzer Zeit ein so aggressives Klima entstand - das interessierte mich auch als Psychologe", sagt Kreibig, der zudem auch in Volkswirtschaft promoviert hat.

Mit seinen vielfältigen Kenntnissen und umfangreichen praktischen Erfahrungen ging er, unterstützt von den Vereinsmitgliedern, an die Arbeit: Er warb Fördermittel ein, leistete die Kernarbeit im Umgang mit der Bürokratie, organisierte die Bauarbeiten und entwickelte ein Nutzungskonzept für das künftige Gebäudeensemble. Er und zwei Historiker des Vereins forschten intensiv in den Archiven zur Geschichte der Synagoge und der jüdischen Bevölkerung. Kreibig und seine Mitstreiter organisierten Konferenzen und Ausstellungen zu Landsynagogen in Deutschland. Sie kontaktierten frühere jüdische Einwohner und deren Nachkommen und luden sie ein, als Zeitzeugen von ihren Erinnerungen zu berichten. Jedes Jahr veranstaltete der Verein zudem internationale Workcamps in Röbel, in deren Rahmen Jugendliche bei der Restaurierung halfen. Schüler aus der Umgebung gingen unter Anleitung auf "Spurensuche" und produzierten Filme über die jüdische Vergangenheit der Region. 

Von den jüdischen Gemeinden in Mecklenburg und Berlin wurde der Fortgang des Projekts interessiert verfolgt. Bereits vor der Fertigstellung besuchten Gemeindemitglieder die Synagoge. "Das Haus wird den jüdischen Zuwanderern, die sich jetzt in Ostdeutschland niederlassen, sicher helfen, eine positive Identität zu entwickeln", sagte Rabbi Steiman. Für Peter Hesse, den letzten überlebenden Juden des nahe gelegenen Malchow, war Kreibigs Engagement noch persönlicher. Der in Paris lebende Hesse hatte seit 1991 vergeblich versucht, eine Entschädigung für die früheren Grundstücke seiner Familie zu erhalten. Kreibig machte seinen Fall publik, schrieb Artikel über Hesses Schicksal und hilft ihm, sein Restitutionsverfahren neu aufzurollen. "Er ist ein erstaunlicher Humanist, selbstlos helfend, verbindlich und voller Energie bei dem, was er macht", sagt Hesse.

Mit der Eröffnung der Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte der Region Anfang des Jahres schließt sich für Kreibig ein Kreis. Zu den Exponaten zählt ein alter Koffer, den ein Jude aus Röbel für seine Ausreise erworben hatte. Bevor er emigrieren konnte, wurde er jedoch deportiert. Kreibig hat bei seiner Großmutter selbst einen Koffer gesehen, der ein Schicksal aus der Nazi-Zeit spiegelt. Er enthielt persönliche Dinge seines Großonkels, eines SS-Offiziers. "Als ich klein war, spielte ich mit seinen Spielzeugen, dadurch entstand eine gewisse Nähe zu ihm", erinnert sich Kreibig. "Es hat mich sehr früh über Vorbestimmtheit im Leben nachdenken lassen, über Manipulation und Indoktrination."

Das sind die Fragen, mit denen sich auch die Besucher des "Engelschen Hofs" beschäftigen werden, dessen Eröffnung für Anfang 2006 geplant ist. Neben kulturellen Veranstaltungen sind verschiedenste Bildungsangebote vorgesehen: Projektunterricht, Geschichtsstunden für Schulklassen, Zeitzeugengespräche ebenso wie Austauschprogramme mit israelischen Jugendlichen. "Wir wollen die Vergangenheit für die Gegenwart fruchtbar machen", erklärt Kreibig. "Im Zentrum steht die Frage: Was bedeutet Toleranz für den Citoyen von heute und wie kann sie praktisch gelebt werden?"

 
 

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