Obermayer German Jewish History Award

Lars Menk

Berlin

In seinem Beruf als Briefträger muss Lars Menk aufpassen, dass er sich nicht durch die Namen auf den Briefen ablenken lässt, die er zustellt - denn er weiß viel über Namen. Menk hat über einen Zeitraum von fast 10 Jahren annähernd 13.000 deutsch-jüdische Nachnamen akribisch recherchiert und in einem 800 Seiten umfassenden Nachschlagewerk zusammengetragen, das unter dem Titel "A Dictionary of German-Jewish Surnames" (Lexikon deutsch-jüdischer Nachnamen) erschienen ist. Wenn Menk daher heute auf seltene Varianten jüdischer Namen stößt - oder auf Namen, die er noch nie gesehen hat und von denen er glaubt, dass sie kurz vor dem Aussterben stehen könnten - geht er manchmal nach Hause, recherchiert die Ursprünge des Namens und nimmt mit den Namensträgern Kontakt auf, um mit ihnen über ihr Familienerbe zu reden.

Als autodidaktischer Ahnenforscher, der sich im Alter von 19 Jahren für seine eigenen Wurzeln zu interessieren begann, studiert Menk heute die Bedeutung und Herkunft von Namen, um anderen Menschen bei der Suche nach ihren Ursprüngen zu helfen, damit sie - wie er selbst - im historischen und im geistigen Sinne erfahren, wer sie sind.

"Wenn ich die Abstammung eines Menschen studiere, versuche ich dabei auch den Gedanken und Lebenswegen seiner Familie zu folgen. Ich möchte erfahren, wo die Menschen gelebt, was sie getan haben; warum dieser oder jener seinen Wohnort oder seine Arbeit gewechselt hat, warum er bestimmte Entscheidungen traf", so Menk, der sich selbst als "mystische" Person bezeichnet und mit einer mutig offenen Sensibilität spricht, die man nur selten findet. "Die Menschen möchten Fakten [zu ihren Familien] erfahren, und die kann ich ihnen geben. Aber diese Fakten sind nur der Anfang."

Der Kritiker Ralph Baer beschreibt das Buch, das 2005 bei Avotaynu erschien, dem weltweit führenden Verleger jüdischer genealogischer Texte, als "das bislang bedeutendste und nützlichste genealogische Nachschlagewerk zum deutschen Judentum". Das Buch, das im Rahmen des National Jewish Book Award in der Kategorie Nachschlagewerk mit einem Nebenpreis ausgezeichnet wurde, erfasst die etymologische und geographische Herkunft Tausender deutsch-jüdischer Namen, bezogen auf die Grenzen vor dem Ersten Weltkrieg (einschließlich Ostpreußen, Teilen des Baltikums, Schlesien und anderen Regionen). Der Leser kann einen Familiennamen bis zu der Stadt oder dem Dorf in Deutschland zurückverfolgen, wo dieser Name - oder eine Namensvariante - erstmals erwähnt wurde und wann dies war. Manchmal reichen die Angaben zurück bis ins 14. Jahrhundert, aber meistens wird auf das frühe 19. Jahrhundert Bezug genommen, ab dem Juden anstelle einer Familienidentifikation auf Basis des väterlichen Vornamens einen Nachnamen angeben mussten.

Edwin Taub Richard, ein pensionierter amerikanischer Ingenieur, der seit 20 Jahren in seiner Familie Ahnenforschung betreibt, meint zu dem Buch: "Dieses Lexikon ist eine großartige Quelle, wenn man Familienursprünge in Deutschland sucht."

Als Menk 1988 in den rheinland-pfälzischen Hunsrück fuhr, um nach Spuren seiner Vorfahren zu suchen, die Viehhändler waren, ahnte er nicht, welches Ausmaß dieses Projekt annehmen würde. Niemand in seiner Familie hatte je jüdische Wurzeln erwähnt - ganz im Gegenteil, Menks Großvater trat im Alter von 19 Jahren in die SA ein und wurde Nationalsozialist. Doch dann entdeckte Menk bei seinen Recherchen im Familienarchiv, dass eine seiner Ur-Ur-Großmütter Jüdin gewesen war. Diese Offenbarung bewegte ihn zutiefst.

"Ich wollte wissen, wo meine Wurzeln liegen, denn das ist es, was mich ausmacht - all diese Einflüsse aus der Vergangenheit, die sich in meiner Person vereinen", so Menk, der in Münster zunächst vier Jahre Medizin studierte. Er hatte jedoch nie das Gefühl, zum Arzt berufen zu sein, und brach das Studium schließlich ab. Da er sich aber schon seit seiner Kindheit zur jüdischen Lehre und Religion hingezogen gefühlt hatte, erschien es ihm jetzt nur folgerichtig, sich diesem Zweig der Genealogie zuzuwenden: "Durch das Studium meiner Vorfahren habe ich versucht, wie sie zu werden, wie sie zu denken, herauszufinden, wie sie gelebt haben und was sie für eine Lebenseinstellung hatten. Ich wollte erfahren, wer ich bin, indem ich ihren Einfluss auf mein Leben untersuchte."

Schon bald ging Menk mit derselben Intensität an die Recherchen zu Hunderten, später Tausenden deutsch-jüdischer Familiennamen heran. 1984 kam er nach Berlin, wo er an der Universität in verschiedene Studiengänge hineinschnupperte, bevor er sich in den 1990er Jahren ganz seiner Passion, der Genealogie, zuwandte. Er brachte sich im Selbststudium bei Hebräisch zu lesen und spürte verborgene Bücher zur jüdischen Kultur auf; und wann immer er auf ihm unbekannte Namen stieß, recherchierte er den Ursprung und "verfolgte die [Familien-]Linie". Das waren seine "Lehrjahre", erinnert er sich, als er bundesweit die Archive durchforstete und anfing aufzubauen, was schließlich zum Lexikon werden sollte. 

"Ich habe diese Arbeit geliebt", so der heute 45-jährige Menk zu seinen länderübergreifenden Recherchen. "Ich habe Fotos gemacht. Ich habe Dokumente gesammelt. Ich war einfach fasziniert und hatte Glück, dass ich in Deutschland lebe, wo all diese Informationen verfügbar sind."

Seine tiefgehendsten Recherchen führte Menk ironischerweise während seiner fünfjährigen Tätigkeit als Wachmann bei der Berliner Handelskammer durch. Er hatte Erfahrung im Umgang mit dem Internet und nutzte seine ruhigen Arbeitszeiten, um Internetseiten wie jewishgen.org zu besuchen; an seinen freien Tagen vergrub er sich lesend und Notizen machend in der Staatsbibliothek, sodass er sich praktisch rund um die Uhr mit seinem Projekt beschäftigte. Ermöglicht hat ihm dies vor allem auch seine Frau, eine Krankenschwester aus Kasachstan, die ihn in dieser Zeit sowohl psychisch als auch finanziell stets unterstützte. Denn Menk hat tatsächlich noch nie Geld für die privaten Familienrecherchen genommen, die an ihn herangetragen wurden - deshalb betrachtet er sich auch immer noch als Amateur: "Amateur kommt von amare, lieben, denn ich liebe diese Arbeit."

"Ich hatte Angst, dass ich die Liebe zur Forschung verlieren könnte, wenn ich Geld nehme; dass das Geld meine Begeisterung zerstören würde", so Menk. "Ich vergesse alles um mich herum, wenn ich an einem speziellen Projekt arbeite: meine Realität; meine Arbeit; meine Familie. Ich konzentriere mich dann nur [auf die Arbeit], als ginge es um meine eigene Familie."

 
 

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