Obermayer German Jewish History Award
Kurt-Willi Julius und Karl-Heinz Stadtler
Vöhl, Hessen
Ein kleiner Apfelbaum gedeiht hinter der Synagoge im hessischen Vöhl. Im September 2000 setzten ihn dort 15 jüdische Besucher in die Erde ein. Gepflegt wird er seitdem von Kurt-Willi Julius und Karl-Heinz Stadtler sowie ihren Mitstreitern vom Förderkreis "Synagoge in Vöhl". Sie hatten auch die ehemaligen jüdischen Einwohner und ihre Nachkommen eingeladen, in die Stadt ihrer Wurzeln zurückzukehren - fast auf den Tag genau 58 Jahre nach der Deportation der letzten Juden aus dem Raum Vöhl. "Es ist ein Zeichen der Versöhnung", erklärt Karl-Heinz Stadtler die Bedeutung des Baums.
Die Einladung der jüdischen Besucher war für die 200 Mitglieder des Förderkreises nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Versöhnung. Gegründet wurde der Förderkreis 1999, um das Synagogengebäude zu kaufen, zu restaurieren und in ein Kultur-und Begegnungszentrum mit Museum umzugestalten. Seitdem erhält der Verein unter Führung von Julius und Stadtler nicht nur das Haus, sondern auch die Erinnerung an das jüdische Leben in Vöhl.
Obwohl der Ausbau noch nicht abgeschlossen ist, zieht der Förderkreis mit seinen Veranstaltungen bereits heute bis zu 3,000 Besucher jährlich an. Neben der Erforschung der jüdischen Geschichte des Vöhler Raums organisiert der Verein ein vielfältiges Programm, unter anderem mit Theater, Kunst, jüdischer Musik und israelisch-arabischem Tanz. Dazu kommen Gedenkveranstaltungen zu Jahrestagen der Reichspogromnacht, Vorträge jüdischer Zeitzeugen und gelegentliche Feiern jüdischer Feste und Gottesdienste. "Wir wollen jüdische Kultur in vielerlei Hinsicht lebendig halten", sagt Julius. "Die Nazi-Zeit hat zwar einen zentralen Stellenwert, aber wir wollen uns nicht darauf beschränken - das verhindert eine unbefangene Annäherung, verhindert Zukunft."
Julius und Stadtler sind beide Lehrer. Beide sind aufgeschlossen, zupackend und engagiert und beide ergänzen sich in ihren Interessen und Stärken. "Sie sind verschiedene Charaktere, aber es ist ein ganz tolles Miteinander", sagt Förderkreis-Mitglied Günter Maier. Karl-Heinz Stadtler erforscht und schreibt über die jüdische Geschichte Vöhls und der umliegenden Dörfer. Außerdem führt er Rundgänge zu den früheren jüdischen Häusern und Geschäften in der Stadt sowie in der Synagoge. Kurt-Willi Julius, kunstinteressiert und bewandert im Umgang mit neuen Medien, sorgt für die Veröffentlichung von Stadtlers Forschungsergebnissen. Er hat die Internetseite des Vereins www.synagoge-voehl.de gestaltet, die ein beeindruckendes Angebot enthält - unter anderem eine Sammlung von Lebensdaten früherer jüdischer Einwohner. Er organisiert zudem federführend die Kulturveranstaltungen des Förderkreises, kümmert sich um die Beschaffung von Geldern und betreut die Restauration des Hauses.
Als Geschichtslehrer war Stadtler schon lange für nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands sensibilisiert. Nach seinem Eintritt in die Lokalpolitik Anfang der Neunziger Jahre setzte er sich für ein Denkmal zur Erinnerung an die deportierten Juden Vöhls ein. Sein Engagement brachte ihn zu seiner Forschungsarbeit. Als er 1999 erfuhr, dass das Synagogengebäude zum Verkauf stand, initiierte er die Gründung des Förderkreises. Mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde konnte der Verein das Haus schließlich erwerben. Stadler, Kreisbezirksvorsitzender der SPD, sorgte mit seinen guten Kontakten für starken politischen Rückhalt. Neben dem Vöhler Bürgermeister zählen auch Landtags- und Bundestagsabgeordnete zu den Mitgliedern des Förderkreises. "Stadtler ist der Motor des Projekts gewesen", sagt Vöhls Bürgermeister, Harald Plünnecke.
Stadtler brachte den Motor des Förderkreises zum Laufen, Julius entwickelte sich dann als Vereinsvorsitzender ebenfalls zur treibenden Kraft. Bereits in den Achtziger Jahren hatte er sich in einer Bürgerinitiative politisch engagiert. Als er durch eine TV-Dokumentation erfuhr, dass in Deutschland mehr Synagogen nach dem Krieg als während Nazi-Herrschaft zerstört wurden, war er schockiert. "Als die Synagoge zum Verkauf stand, gab es einen Ort, eine Möglichkeit, mich einzubringen", sagt Julius. Kurz zuvor hatte er seine jüdische Partnerin kennen gelernt. "Durch sie ist mein Engagement nicht nur politisch, sondern auch persönlich und fundierter", erklärt er. Die vier Kinder, die seine Partnerin in die Beziehung einbrachte, erziehen beide in christlich-jüdischem Sinn.
Wie eine Initialzündung für die Vereinsarbeit wirkte der Besuch der fünfzehn jüdischen Besucher im September 2000. Neben vielen anderen symbolischen Aktionen organisierten die Förderkreis-Mitglieder eine besonders bewegende Zeremonie für Carol Baird, die aus San Francisco anreiste. Zusammen mit Angehörigen und einem Dutzend Vöhler Bürgern feierten sie und ihr Mann ihren dreißigsten Hochzeitstag in der Synagoge, in der achtzig Jahre zuvor bereits ihre Großeltern geheiratet hatten. "Meine Familie hat ihren angestammten Platz in dem Ort zurückerhalten, in dem ihre Vorfahren geboren wurden, Bar Mitzwa feierten, heirateten und starben", sagt sie.
Heute ist das Äußere des Hauses bereits restauriert, der Sakralraum der Synagoge soll im Sommer 2006 fertig sein. Die Arbeiten an den Räumen für das Museum werden jedoch noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Währenddessen werden sich die Förderkreis-Mitglieder weiter um die Pflege des gepflanzten Symbols der Versöhnung hinter der Synagoge kümmern. "Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Apfelbaum Früchte trägt", sagt Karl-Heinz Stadtler.
THIS WALL BRINGS PEOPLE TOGETHER
Students at this Berlin elementary school, built on the site of a synagogue, have been building a wall for the past two decades. It delivers a powerful message about community.
STUDENTS REACHING STUDENTS
When a handful of ninth graders from Berlin met Rolf Joseph in 2003, they were inspired by his harrowing tales of surviving the Holocaust. So inspired that they wrote a popular book about his life. Today the Joseph Group helps students educate each other on Jewish history.
“I SPEAK FOR THOSE WHO CANNOT SPEAK”
Margot Friedländer’s autobiography details her struggles as a Jew hiding in Berlin during World War II. Now 96, she speaks powerfully about the events that shaped her life and their relevance today.