Obermayer German Jewish History Award
Johanna Rau
Kalbach, Hessen
Johanna Rau und die Landsynagoge Heubach waren wie zwei Freunde, die dazu bestimmt sind, zueinander zu finden: Sie, eine evangelische Pfarrerin, die Hebräisch gelernt, in Jerusalem gelebt und sich der Judaistik gewidmet hatte. Die Synagoge, ein baufälliges Gotteshaus aus dem 19. Jahrhundert in dem kleinen hessischen Dorf Heubach, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Rathaus, vorübergehendes Quartier für Familien und sogar als Treffpunkt einer Motorradgang verwendet wurde, bevor Raus leidenschaftliches Engagement sie vor dem völligen Verfall und der sicheren Zerstörung rettete.
Dank ihres Einsatzes wurde die Heubacher Synagoge wieder hergestellt. Sie wird inzwischen als Gemeindezentrum genutzt, in dem sich Deutsche aus der ganzen Region um die Wiederentdeckung der jüdischen Geschichte und des jüdischen Erbes bemühen. Rau hat verschiedenste Besuchergruppen durch das Gebäude geführt, von Frauengruppen bis hin zu Schulklassen, und Theateraufführungen, Konzerte, Lesungen und Vorträge zur lokalen jüdischen Vergangenheit organisiert. Der Wiederaufbau der Synagoge war in der Tat ein persönlicher Traum von Johanna Rau, die das heruntergekommene Gebäude in den Stolz der Region verwandelte. Getrieben von dem Willen zum Erfolg, verfolgte sie ihren Traum mit großem Engagement und war die treibende Kraft aller Aktionen, bis dieser Traum Wirklichkeit wurde.
"Johanna Raus unerschöpfliche Energie, intellektuelle Neugier und ernsthafte wissenschaftliche Herangehensweise sorgten dafür, dass sie ihre beiden Ziele mit großem Erfolg umsetzen konnte: Wiederherstellung des physischen Symbols [der Synagoge] und laufende Bildungsangebote zum Thema Judentum", so Randee Kelley aus Las Vegas, USA. Durch ihre umfassenden genealogischen Recherchen zum Leben der Heubacher Juden hat Rau auch "Geist und Wesen des jüdischen Lebens in dieser Region wiederbelebt und vor dem fast sicheren Vergessen gerettet. Zum Vorschein kam eine jüdische Vergangenheit in einer Gemeinde, die seit Jahrzehnten keine jüdische Gegenwart kennt."
Wenn man heute die renovierte zweigeschossige ehemalige Landsynagoge Heubach besucht - was seit der Wiedereröffnung im Jahr 2006 etwa 2.000 Touristen und fast alle der 750 Einwohner getan haben -, lassen die frisch gestrichenen Wände, das neu gedeckte Dach und der gepflegte Rasen wenig von der langen, außergewöhnlichen Geschichte der letzten noch erhaltenen Landsynagoge erkennen.
Am besten kennt diese Geschichte Johanna Rau, 43, mit einem Pfarrer verheiratet und selbst Pfarrerin und Mutter von drei Kindern. Ihr Interesse für die jüdische Kultur und Religion entwickelte sich während des Studiums der Theologie an der Heidelberger Universität. Dort vertiefte sie sich in Bücher von Elie Wiesel und Martin Buber und entdeckte die Fotografien von Roman Vishniac. Aufgrund ihrer wachsenden Passion studierte Rau zunächst in Wien Hebräisch. Anschließend verbrachte sie ein Jahr in Jerusalem, wo sie Kontakt zu russischen Immigranten bekam und sich dem Talmudstudium widmete. "Ich fand jemanden, der mir beim Talmudstudium half, und es war einfach großartig. Ich kann vielleicht nicht sagen, dass ich alles verstand - aber mir gefiel die Denkweise, die Art zu lernen."
Schon bald nachdem sie und ihr Mann ihre Arbeit als Pfarrer in Heubach aufgenommen hatten, entwickelte Rau im Jahr 2002 die Idee, die verlassene Synagoge zu kaufen und zu renovieren. Das Gebäude, 1843 erbaut, sah "wirklich sehr, sehr heruntergekommen aus", erinnert sie sich. Das Dach war verrottet und undicht. Die Wände waren kaputt und fehlten an einigen Stellen völlig. Anstelle von Glas fanden sich Sperrholzplatten in den Fensterrahmen. Eine einst blühende jüdische Gemeinde in Heubach, die zu ihrer Glanzzeit in den 1890er Jahren fast 100 Mitglieder hatte, verlor diese nach und nach zunächst an Städte wie Würzburg und Frankfurt, bis sie schließlich 1937, als die Gemeinde die Synagoge kaufte, gänzlich verschwanden. In Heubach hatte es keinerlei Bemühungen gegeben, das Gedenken an die Vergangenheit des Gebäudes - oder der 40 ehemaligen Heubacher Juden, die dem Holocaust zum Opfer fielen - zu bewahren.
Rau wusste, dass nur wenig Zeit blieb, um das Gebäude vor dem völligen Zerfall oder dem Abriss durch die Behörden zu retten, und gründete in aller Eile einen Verein, recherchierte Renovierungspläne und entwarf eine Reihe von Finanzierungsvorschlägen. Innerhalb weniger Monate begannen die Gelder zu fließen: 200.000,- Euro aus dem Programm der Europäischen Union zur Erhaltung des ländlichen Kulturerbes; 200.000.- Euro vom Land Hessen; 100.000,- Euro vom Landesamt für Denkmalpflege. Zusammen mit privaten Spenden von Unternehmen und Einzelpersonen kam so eine Gesamtsumme von 780.000,- Euro zustande. Wie sich zeigte, reichte dies aus, um das Werk zu vollbringen - und heute können die Besucher sogar eine Mikwe sehen, ein rituelles Bad, das Raus Team während der Renovierungsarbeiten freilegte.
"Für die Menschen im Dorf hat dies auch mit der Wiederherstellung des kollektiven Gedächtnisses zu tun. Vorher gab es eine Lücke, die die Menschen jetzt füllen können", so Rau, die das Gebäude als "eine Art Brücke" sieht, die das ländliche Heubach mit seiner jüdischen Vergangenheit verbindet. "Ich weiß nicht, ob sie sich dadurch auch mehr für ihre eigene, persönliche Geschichte interessieren. Aber zumindest haben die jüdischen Menschen, die in Heubach lebten, wieder einen Platz in der Erinnerung."
Rau gibt zu, dass das Fehlen von Juden in Heubach dem Verständnis der Menschen für die jüdische Kultur und Tradition Grenzen setzt. "Wir sind Anfänger. Wir geben das Wissen weiter, das wir haben, in dem Wissen, dass es eine nichtjüdische Sichtweise ist."
"Aber", fügt sie hinzu, "wenigstens können wir sagen, dass jüdisches Leben [in Deutschland] heute existiert."
Joan David aus Ardsley, USA, dazu: "Diese Art der Auseinandersetzung von Nichtjuden mit dem Judentum ist der beste Weg, dem Antisemitismus entgegenzuwirken und vorzubeugen."
Die Restaurierung der Synagoge ist im Internet unter www.synagoge-heubach.de visuell und in Texten dargestellt. Dort findet man auch die Biographien, die Rau zu den Heubacher Juden gesammelt hat, die dem Holocaust zum Opfer fielen. Angesichts der Tausende von Menschen, die die Synagoge bereits persönlich besucht haben, ist Rau überzeugt, dass das wiederhergestellte jüdische Wahrzeichen in seiner Bedeutung für die Gemeinde im Laufe der Zeit weiter wachsen wird.
"Das ist etwas, das einfach da ist, gleich um die Ecke", sagt sie. "Die Menschen müssen nur kommen und es nutzen."
THIS WALL BRINGS PEOPLE TOGETHER
Students at this Berlin elementary school, built on the site of a synagogue, have been building a wall for the past two decades. It delivers a powerful message about community.
STUDENTS REACHING STUDENTS
When a handful of ninth graders from Berlin met Rolf Joseph in 2003, they were inspired by his harrowing tales of surviving the Holocaust. So inspired that they wrote a popular book about his life. Today the Joseph Group helps students educate each other on Jewish history.
“I SPEAK FOR THOSE WHO CANNOT SPEAK”
Margot Friedländer’s autobiography details her struggles as a Jew hiding in Berlin during World War II. Now 96, she speaks powerfully about the events that shaped her life and their relevance today.