Obermayer German Jewish History Award
Gerhard Buck
Idstein-Walsdorf, Hessen
Gerhard Bucks früheste Erinnerung reicht bis zu einem Tag zurück, an dem seine Eltern ihn mitnahmen, um die Synagoge ihrer Stadt brennen zu sehen. Er war damals erst zwei Jahre alt, aber noch heute erinnert er sich an die züngelnden Flammen und das "Gefühl der Zerstörung", das die Kristallnacht in sein Gedächtnis brannte. Verstärkt wurde diese traumatische Erfahrung auch dadurch, dass Buck sich Zeit seines Lebens fragte, ob seine eigene Mutter den Nazis, als sie an ihre Tür kamen und um Hilfe baten, womöglich sogar die Streichhölzer in die Hand gab, mit denen die Synagoge angezündet wurde.
"Die Menschen sagen oft, dass sie nicht wussten, was in diesen zwölf Jahren [unter Hitler] geschah, aber alle wussten es", erzählt Buck zu Hause in Idstein, einer kleinen hessischen Stadt, wo er auf seine ganz eigene Weise daran arbeitet, die Wunden der Geschichte zu heilen: In den vergangenen 25 Jahren hat er zahlreiche Artikel und Bücher geschrieben, die die jüdische Vergangenheit seiner Heimat wieder ins Bewusstsein rufen.
Er hat nicht nur bei der Wiederherstellung des jüdischen Friedhofs in Steinfischbach geholfen, sondern arbeitet seit acht Jahren auch unermüdlich am Aufbau einer jüdischen genealogischen Datenbank, in der inzwischen 70 der über 200 Städte in der Region Hessen/Nassau erfasst sind.
Die "persönliche, emotionale Vergangenheit inspiriert mich dazu, über die jüdische Geschichte zu schreiben", so Buck, 71. "Ich stehe noch heute unter dem Eindruck dieser schrecklichen Zeit, in der viele Menschen so grausame Dinge getan haben. Man fängt an, über die Menschheit nachzudenken - was die Menschen sich gegenseitig antun, was das Wesen der Menschen ist. Darüber denke ich die ganze Zeit nach. Und ich war schon immer gefangen von dem Thema der Juden in unserer Stadt und ihrer Vertreibung."
Der Sohn eines Elektrikers, der den zweiten Weltkrieg als Lazaretthelfer hinter den Frontlinien überlebte, entdeckte schon früh seine Leidenschaft für Geschichte und Sprachen (er lernte am Gymnasium Hebräisch, um das Alte Testament lesen zu können). Nach dem Studium der Fächer Geschichte und Englisch an den Universitäten von Münster, Tübingen und Leicester, England, erwarb Buck weitere Abschlüsse in Sozialkunde und Jura an der Universität Frankfurt. Bis 1972 arbeitete er als Lehrer in Wiesbaden, dann zog er mit Ehefrau und zwei Kindern nach Idstein, wo er seine Arbeit als "Geschichtsschreiber" begann.
"Ich kam in ein Dorf, das gerade sein 1200-jähriges Bestehen feierte und mein Schuldirektor bat mich um Unterstützung bei den Recherchen", erinnert er sich. "Von Anfang an hatte ich den Eindruck, dass die Adelsfamilien - die Herzöge, Grafen und Prinzen - im Zentrum sämtlicher Bücher und Artikel standen, die bis dahin erschienen waren. Also wendete ich mich den einfachen Menschen zu. Ich wollte über die Bauern und Handwerker schreiben, die Minderheit, die Menschen, die in den Geschichtsbüchern nicht auftauchen - und so bin ich auch zu den Juden gekommen."
1988, zum 50. Jahrestag der Kristallnacht, veröffentlichte Buck unter dem Titel "Die jüdischen Idsteiner, 1648-1806" eine ganz neu interpretierte und damals kontrovers diskutierte Darstellung der lokalen jüdischen Geschichte. Daraufhin wurde er - obwohl er keinen Doktortitel hat - in die renommierte Historische Kommission für Nassau berufen. Aufgrund seiner Recherchen kommt Buck zu völlig neuen Schlüssen, die er bis heute leidenschaftlich verteidigt - zum Beispiel, dass das Geldleihgeschäft im 17. und 18. Jahrhundert überwiegend von der Kirche und nicht von den Juden betrieben wurde. "Ich bin auf ganz unkonventionelle Weise an das Thema herangegangen", erklärt er. Und die hartnäckige Präzision des Historikers ist es, für die seine Arbeit seitdem immer wieder gelobt wird.
"Gerhards Arbeit wirkt heilend", so Abraham Frank, ein Nachfahre hessischer Juden und Koautor von Bucks Buch "The Eschenheimer and Nachmann Families" (Die Familien Eschenheimer und Nachmann), das im Jahr 2003 erschien. Frank, der die Geschichte seiner eigenen Familie durch Buck "rehabilitiert" sieht, fügt hinzu: "Er ist bei der Dokumentation seiner Texte sehr streng, aber seine Arbeit ist von einem humanistischen Interesse am alltäglichen Leben der einfachen jüdischen Bürger geprägt. Sie bewahrt die Vergangenheit der Juden dieser Region, hilft den Opfern des Holocaust und ihren Kindern bei der Suche nach Angehörigen und erhält in Form von Bildern, Texten und Inschriften die historischen Belege einer verloren gegangenen Lebensweise."
In der Tat ist die Suche nach längst versunkenen Details zum ländlichen jüdischen Leben - zum Beispiel über Familientestamente aus dem 18. Jahrhundert, Inventarlisten zum Besitz eines Mannes oder Aufzeichnungen darüber, wie viel Wein auf seiner Hochzeit getrunken wurde - keine leichte Aufgabe. Zum einen, so Buck, sind viele historische Aufzeichnungen schlicht nicht mehr vorhanden; zum anderen erfolgte im 19. Jahrhundert der Übergang vom patronymischen (vom Vaternamen abgeleiteten) Namen zum Nachnamen - dadurch bezeichnen häufig drei oder vier Namenspaare ein- und dieselbe Person, was die Recherche äußerst kompliziert macht.
Trotz aller Hindernisse ist Buck, der vor 12 Jahren aufgrund einer stressbedingten Stimmbanderkrankung den Lehrerberuf aufgeben musste, in der Lage, Archivdokumente in rasender Geschwindigkeit durchzugehen: Er schafft zwei Seiten in drei Sekunden und erfasst jede Woche 200 neue Biographien. Es ist nicht nur die Suche nach einer präzisen Genealogie, die ihn vorantreibt: "Ich finde mehr als nur Namen - ich finde Leben", sagt er.
"Ich möchte den Menschen diese lange historische Linie wieder ins Gedächtnis rufen, mithilfe der Archive in frühere Jahrhunderte zurückgehen und Familien rekonstruieren. In normalen Geschichtsbüchern treten Juden nicht in Erscheinung. Durch die Erforschung ihrer Namen, das Sammeln von Informationen über ihr Leben, hole ich sie zurück - und gewinne einen Eindruck davon, wie die Juden gelebt haben."
Die Motivation liegt für Buck vor allem in dem Wunsch, "den Deutschen zu erzählen, was wirklich passiert ist. Ich werde der jüdischen Geschichte mein Leben lang verbunden bleiben."
THIS WALL BRINGS PEOPLE TOGETHER
Students at this Berlin elementary school, built on the site of a synagogue, have been building a wall for the past two decades. It delivers a powerful message about community.
STUDENTS REACHING STUDENTS
When a handful of ninth graders from Berlin met Rolf Joseph in 2003, they were inspired by his harrowing tales of surviving the Holocaust. So inspired that they wrote a popular book about his life. Today the Joseph Group helps students educate each other on Jewish history.
“I SPEAK FOR THOSE WHO CANNOT SPEAK”
Margot Friedländer’s autobiography details her struggles as a Jew hiding in Berlin during World War II. Now 96, she speaks powerfully about the events that shaped her life and their relevance today.