Obermayer German Jewish History Award
Fritz Reuter
Worms, Rheinland-Pfalz
Fritz Reuter gründete das erste jüdische Museum nach dem Zweiten Weltkrieg, half bei der Wiederherstellung des ältesten jüdischen Friedhofs in Europa und begleitete die Wiederbelebung einer Synagoge, die eine der ältesten jüdischen Gemeinden des Mittelalters repräsentiert. "Am allerwichtigsten war für mich jedoch das Buch ,Warmaisa', so Reuter, "weil es das Interesse so vieler Menschen geweckt hat. Wir wollten das Gefühl der Fremdheit überwinden, das die Menschen gegenüber der jüdischen Religion, dem jüdischen Leben, den jüdischen Gebäuden empfinden. Wir wollten ihnen zeigen, dass es [für Christen und Juden] möglich ist, miteinander zu leben."
Worms war im Mittelalter ein florierendes Zentrum des jüdischen Lebens und der jüdischen Kultur in Europa. Und Reuter ist es gelungen, dieses Erbe mit seiner Arbeit, die er jetzt schon ein halbes Jahrhundert lang verfolgt, wiederzuentdecken - und weitgehend zu rehabilitieren. "Warmaisa: 1.000 Jahre Juden in Worms" ist nicht nur die erste - und vielleicht bisher fundierteste - Geschichte des reichen jüdischen Erbes in Worms. Reuter war 1995 auch Mitbegründer des Vereins Warmaisa (was auf Hebräisch Worms heißt), der sich für den Erhalt dieses Erbes für die Öffentlichkeit einsetzt. Als ehemaliger Leiter des Stadtarchivs betreute er auch Führungen, publizierte Bücher und Artikel und war das "menschliche Gesicht", das hinter der Wiederbelebung der Wormser Judengasse bzw. des Jüdischen Viertels stand. Heute gehört das Viertel zu den bedeutendsten Anziehungspunkten für Menschen, die das alte jüdische Europa besuchen möchten.
In den Worten des gebürtigen Wormsers Gerhard Spies, der nach Mamoroneck, USA, emigrierte, wurde Reuter "niemals müde in dem Bemühen, die jüdische Seele von Worms wieder herzustellen und sie für die Ewigkeit zu erhalten. Er war davon überzeugt, dass es wichtig war, der deutschen Bevölkerung nach dem Krieg das reiche Erbe an Kunst, Architektur, Philosophie und Geschichte nahe zu bringen, das die Juden hinterlassen haben."
Reuter, 78, ist der Erste, der zugibt, dass es keine leichte Aufgabe war und der Weg keineswegs geradlinig verlief. Als Sohn eines Chemikalienhändlers studierte er zunächst Musik, in der Hoffnung, Fagottist oder Kontrafagottist zu werden. Fast zehn Jahre lang arbeitete er als Drucker und machte im Abendstudium sein Abitur nach. Mit 28 begann er dann das Studium der Deutschen Geschichte an der Mainzer Universität. Erst mit Mitte 30, als er seine Tätigkeit als Archivar in Worms aufnahm, entdeckte Reuter, "welche Bedeutung die jüdische Gemeinde für die Entwicklung der Stadt hatte, vom Mittelalter bis hin zur Neuzeit". Von da an engagierte er sich für die Wiederherstellung - und eine Art "Neuerzählung" - dieser Geschichte. "Wir versuchen das Bewusstsein der Menschen in Worms zu wecken, sodass sie sehen, was die Juden hier geleistet haben", erklärt er.
Ab 1961, nach der Vollendung des Wiederaufbaus der mittelalterlichen Wormser Synagoge, die in der Kristallnacht niedergebrannt worden war, spielte Reuter eine wichtige Rolle bei der Wiederbelebung dieses einstigen Zentrums der jüdischen Kultur in Europa. Im darauffolgenden Jahrzehnt half er bei der Erforschung und Restaurierung des 1000 Jahre alten Friedhofs Heiliger Sand.
Seine vielleicht größte Leistung war im Jahr 1982 die Gründung des Jüdischen Museums der Stadt: Das Raschi-Haus, benannt nach dem berühmten Talmud-Gelehrten, der im 11. Jahrhundert in Worms studierte, wurde auf dem alten Gelände des ehemaligen Tanzsaals der jüdischen Gemeinde errichtet. Reuter spürte Hunderte von alten Gegenständen und Artefakten auf (von Tellern über Menorot bis hin zu Torahrollen) und schuf Szenenmodelle von Sederabenden und Hochzeitsfeiern. Mit seiner Arbeit leitete er eine ganz neue Ära der Diskussion in der Gemeinde ein.
"Zu den bemerkenswerten Leistungen [von Reuter] gehört seine Fähigkeit, bei jungen Menschen die Neugier auf die jüdische Kultur zu wecken", so Marga Dieter, eine gebürtige Wormserin, die heute in Brookline, USA, lebt.
Reuter erinnert sich: "Der Anfang war schwer. Die Besucher kamen nach Worms, um nach jüdischen Stätten zu suchen, und wussten nicht, wo sie zu finden waren. Und für viele Einheimische war das immer noch etwas Fremdes, wenig Bekanntes - sie waren einfach nicht interessiert." Reuter berichtet weiter: "Heute zeigen sie großes Interesse. Jetzt können sie kommen und Fragen stellen. Ich kenne viele Menschen, die dankbar sind für die Arbeit, die wir begonnen haben."
Zu ihnen gehört auch Bill Clinton, der 1987, während seiner Zeit als Gouverneur von Arkansas, das Raschi-Haus besuchte und sich eine Stunde lang mit Reuter über verschiedene Themen unterhielt, vom jüdischen Geschäftsleben in Worms bis hin zu Geschichten über die Judengasse. Reuter erhielt im Namen des US-Senats eine Auszeichnung aus den Händen des US-Senators Frank Lautenberg.
Aus Reuters Forschungsarbeiten zum Leben der Wormser Juden, die dem Holocaust zum Opfer fielen, sind Gedenktafeln und um die 40 Stolpersteine in ihrem Namen hervorgegangen. Von seiner Frau Paule wurde Reuter stets engagiert unterstützt. Sie war ihm nicht nur eine treue Begleiterin, sondern arbeitete bis zu ihrem Tod im Jahr 1999 mit ihm gemeinsam am Aufbau des Museums und als Fremdenführerin durch das jüdische Worms. Seine Tochter Ursula setzt die Familientradition fort: Sie hat einen Doktortitel in Geschichte, mit dem Spezialgebiet Judaistik.
Reuter, der in seiner Jugend Mitglied des Jungvolks und der Hitlerjugend war, ist mit seiner Arbeit zur Rettung der jüdischen Geschichte von Worms der lebende Beweis für den Versuch, sich als Einzelner mit den bitteren Wahrheiten der Vergangenheit zu versöhnen - und sie zu überwinden. Sein größter Wunsch ist heute, das jüdische Leben in Worms (wo derzeit 120 bis 150 Juden leben) wieder feste Wurzeln fassen zu sehen, wie es in nahe gelegenen Städten wie Mainz, Mannheim und Heidelberg bereits der Fall ist.
"Ich hoffe, dass das Museum wächst und dass hier wieder eine jüdische Gemeinde entsteht", erklärt er. "Nur mit einer lebendigen neuen Gemeinde können wir dafür sorgen, dass Worms zu einer jüdischen Stadt wird und nicht nur ein jüdisches Museum bleibt. Das ist meine Hoffnung."
THIS WALL BRINGS PEOPLE TOGETHER
Students at this Berlin elementary school, built on the site of a synagogue, have been building a wall for the past two decades. It delivers a powerful message about community.
STUDENTS REACHING STUDENTS
When a handful of ninth graders from Berlin met Rolf Joseph in 2003, they were inspired by his harrowing tales of surviving the Holocaust. So inspired that they wrote a popular book about his life. Today the Joseph Group helps students educate each other on Jewish history.
“I SPEAK FOR THOSE WHO CANNOT SPEAK”
Margot Friedländer’s autobiography details her struggles as a Jew hiding in Berlin during World War II. Now 96, she speaks powerfully about the events that shaped her life and their relevance today.