Obermayer German Jewish History Award

Cordula Kappner

Hassfurt, Bayern

Cordula Kappner ließ sich noch nie einschüchtern. Ihre Meinung sagt die streitbare Kämpferin für die Rechte von Minderheiten auch, wenn persönliche Nachteile drohen. “Ich bin kein Friedensengel”, erklärt die lebendige 62-Jährige. “Ich will keine falsche Harmonie verbreiten.” Sie ist zwar keine Jüdin. Doch das verhinderte nicht den an sie adressierten anonymen Brief voller Hasstiraden, ebensowenig den Davidstern, der auf die Motorhaube ihres Autos geritzt wurde oder den anderen, den sie erst unlängst auf ihre Hauswand gesprüht fand - zusammen mit der ebenso kryptischen wie drohenden Botschaft „Denkt daran!“. „Sie sei zu ‚judenfreundlich‘ sagen manche - nie direkt, aber in einer Kleinstadt bekommt man das schon mit“, sagt die mit Kappner befreundete Lehrerin Irmtraut Neubert.

In den vergangenen 20 Jahren hat die frühere Leiterin der Haßfurter Kreisbibliothek im Schulzentrum und Tochter eines protestantischen Pfarrers die deutsch-jüdische Geschichte der fränkischen Kleinstadt und des Landkreises erforscht. Ihre Ergebnisse – darunter Material zu allen jüdischen Familien mit Wurzeln in der Region - hat sie in zahlreichen Ausstellungen, Büchern, Artikeln für lokale Zeitungen und in Führungen verbreitet. Mit Hilfe von Schulklassen und interessierten Einwohnern hat sie sieben jüdische Friedhöfe dokumentiert, zu zahlreichen Überlebenden baute sie wieder Kontakte auf. „Sie hat mir den Zugang zu meinen Wurzeln eröffnet und mir meinen Großvater – den ich nie kennen lernen konnte – und andere Verwandte nahe gebracht“, sagt Doron Zeilenberger, der heute in den USA lebt, über ihre Arbeit.

Obwohl ihre Ausstellungen auf großes Interesse stießen, riefen sie auch Widerstand hervor. Doch Cordula Kappner war noch nie eine, die mit dem Strom schwamm. Auch heute bezahlt sie lieber alle Ausgaben selbst – auch die für ihre seit 1983 jährlichen Recherchereisen nach Israel - als dass jemand ihr Vorschriften machen könnte, was sie tun sollte. „Unabhängigkeit ist mir das wichtigste“, sagt sie. Fast hätte sie kein Abitur machen können, weil sie in ihrer Dresdener Schule Ende der fünfziger Jahre gewagt hatte, die Kollektivierung der Landwirtschaft zu kritisieren. Nach ihrer Übersiedlung, als sie in Geesthacht bei Hamburg lebte, baute Kappner, die ursprünglich Lehrerin für Deutsch und Geschichte werden wollte, ein Nachhilfesystem für türkische Einwandererkinder auf. „Sie stand immer auf der Seite der in der Gesellschaft Benachteiligten, das ist wie ein roter Faden in ihrem Leben“, sagt Dörte Eggers, die sie bereits damals kannte.

Anfang der achtziger Jahre, inzwischen in Haßfurt wohnend, begann Kappner mit ihrer Forschungsarbeit in Archiven und Behörden und kontaktierte Überlebende überall auf der Welt. Ihre Kamera immer mit dabei, fuhr sie über die Dörfer der Region und interviewte Einwohner. Mit ihrer entwaffnend natürlichen und direkten Art, schaffte sie es, Zungen zu lösen. „Immer wenn ich alte Leute sah, setzte ich mich dazu“, erinnert sie sich. „Wir kamen ins Gespräch und ich fragte nach ihren Erinnerungen und alten Fotos.“

Auf diese Weise sammelte Kappner Material für ihre erste Ausstellung 1983. Am Beispiel einer Familie aus der Region schilderte sie die Deportationen in Unterfranken. Während sie sich anfangs hauptsächlich der Judenverfolgung und dem Holocaust widmete, erweiterte sie später ihre Forschung auf das 19. Jahrhundert. In ihrer Bibliothek, in Schulen und in den umliegenden Dörfern stellte sie ihre Ergebnisse aus und veröffentlichte sie in einer Chronik. „Ich will die Basis erreichen in den Dörfern“, sagt sie. „Ich will, dass sie wissen, was passierte und welcher Reichtum verloren ging.“

Besonderen Wert legt sie darauf, junge Leute mit ihrer Arbeit zu erreichen. Vor ihrer Bibliothek initiierte sie eine Mauer als Denkmal für die Opfer des Holocaust aus dem Landkreis. Schüler des örtlichen Gymnasiums malten die Namen auf Steine, mit denen dann Berufsschüler die Mauer errichteten. Heute hat sie zu jeder der rund 250 jüdischen Familien, die einst in und um Haßfurt lebten, eine Mappe angelegt, mit Fotos, Zeitzeugeninterviews, Dokumenten und Artikeln. Insgesamt 34 Ausstellungen hat sie zusammengestellt, darunter für jedes Dorf in der Region eine, in dem es früher eine jüdische Bevölkerung gab. Seit Januar ist sie in Rente, doch sie denkt nicht daran, aufzuhören. „Am liebsten würde ich wieder von vorn anfangen“, sagt sie. „Es ist so interessant und manche Details sind auch nicht mehr so präsent.“

 
 

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