Obermayer German Jewish History Award, Auszeichnung für herausragende Leistungen

„Ich spreche für die Menschen, die nicht mehr für sich selbst sprechen können.“

Margot Friedländer

Nachdem ihre Familie in ein Konzentrationslager deportiert worden war, überlebte Margot Friedländer den Krieg in Verstecken. Ihre beeindruckende Lebensgeschichte wurde in einem preisgekrönten Buch und einem Dokumentarfilm festgehalten.

Im Januar 1943 stand die 21-jährige Margot Bendheim zusammen mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder gerade kurz vor der Flucht aus Berlin, als der Bruder verhaftet wurde. Ihre Mutter konnte Margot nur noch über Nachbarn die Nachricht zukommen lassen, dass sie mit dem Bruder gehen würde, wohin auch immer das sein möge. „Versuche, dein Leben zu machen“, schrieb sie.

Wenige Tage später wurden Margots Mutter und der Bruder, wie zuvor ihr Vater, nach Auschwitz deportiert. Sie kehrten nie zurück. In den folgenden 15 Monaten tauchte Margot in wechselnden Verstecken unter, mit Unterstützung von 16 verschiedenen Personen. Schließlich wurde sie aber doch noch verhaftet und im Juni 1944 nach Theresienstadt gebracht. Dort kam es zur Wiederbegegnung mit Adolf Friedländer, den sie bereits aus Berlin als Leiter und Regisseur des Jüdischen Kulturbundes kannte, für den sie gearbeitet hatte, und den sie später heiratete. Das Lager wurde am 8. Mai 1945 von den Russen befreit; ein Jahr später emigrierte das Paar nach New York, wo Adolf Friedländer Associate Executive Director des 92nd Street Y wurde, während Margot als Reiseagentin und Schneiderin tätig war.

Erst im Jahr 2003, nach mehr als 50 Jahren in den USA, beschloss Margot Friedländer schließlich, ihre Geschichte zu erzählen. Ein deutscher Filmemacher, Thomas Halaczinsky, hörte, dass sie an ihren Memoiren schrieb, und wollte eine Dokumentation über ihr Leben drehen. „Also kam ich nach Berlin, das erste Mal nach 57 Jahren, und dann überschlugen sich die Ereignisse“, sagt Friedländer. Halaczinsky’s Film, Don’t Call It Heimweh, feierte 2004 Premiere beim Woodstock Film Festival in New York. Im Jahr darauf begann Friedländer mit der Arbeit an ihrem Buch Versuche, dein Leben zu machen: als Jüdin versteckt in Berlin, dessen Veröffentlichung im Jahr 2008 auf große Resonanz stieß. Friedländer wurde daraufhin erneut nach Deutschland eingeladen und erzählte ihre Geschichte in Schulen, Vereinen und Institutionen im ganzen Land. Das Buch wurde 2009 mit dem Einhard Preis für die beste Autobiographie ausgezeichnet und entwickelte sich zum Bestseller.

Im Jahr 2010 zog Friedländer endgültig zurück nach Berlin. Von hier aus ist sie weiterhin in ganz Deutschland und Europa unterwegs, um ihre außergewöhnliche Geschichte zu erzählen. Trotz ihrer 96 Jahre gibt sie nach wie vor wöchentlich Lesungen, zu denen jeweils 40 bis 50 Besucher kommen. Ihre Beschreibungen zu den Kriegserfahrungen sind auch in Form eines Audioguides verfügbar, der Zuhörer auf einer interaktiven Tour zu ihren Verstecken in Berlin führt.

Friedländer selbst wurde ebenfalls mehrfach ausgezeichnet: 2011 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2016 der Verdienstorden des Landes Berlin verliehen. 2014 lobte die Schwarzkopf Stiftung erstmals den Margot-Friedländer-Preis aus, der Schüler und Lehrer dazu anregt, sich in Projekten mit dem Holocaust und Deutschlands Erinnerungskultur auseinanderzusetzen und sich gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus einzusetzen. Und anlässlich des Jahrestages der Reichspogromnacht hält Friedländer alljährlich eine Gedenkrede am Bahnhof Grunewald, von wo aus am 18. Oktober 1941 die ersten Berliner Juden in die Todeslager deportiert wurden.

Es sind jedoch nicht die Ehrungen, die sie antreiben. „Am wichtigsten sind für mich die Hunderte und Tausende Dankesschreiben von Schülern“, sagt sie. „Was ich ihnen sage, ist: ,Ich spreche für die Menschen, die nicht mehr für sich selbst sprechen können.‘ Es sind nicht nur die 6 Millionen Juden, sondern alle, die ermordet wurden – Menschen mit anderen politischen Überzeugungen, Homosexuelle, kleine Kinder, die der Euthanasie zum Opfer fielen – Millionen und Abermillionen, jenseits der 6 Millionen Juden. Ich sage ihnen, dass in meinen Adern das gleiche Blut fließt wie in ihren: Es gibt kein christliches, kein jüdisches, kein muslimisches Blut – es gibt nur menschliches Blut, und wir müssen die Menschen respektieren. Ich rede mit ihnen, weil ich verhindern möchte, dass andere das erleben müssen, was ich erlebt habe. Ich sage ihnen, was war. Das können wir nicht ändern. Aber es darf nie, nie wieder geschehen.“

Friedländer lobt die deutsche Regierung für ihr fortdauerndes Bemühen um das Gedenken an den Holocaust und dafür, dass das Land Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit übernimmt. „Ich sage den jungen Leuten immer: ,Ich möchte, dass ihr die Zeitzeugen sein werdet, die wir nicht mehr sein können, weil wir aussterben. Ihr seid diejenigen, die dafür sorgen müssen, dass so etwas nie wieder geschehen kann.‘“

 
 

EINE MAUER, DIE VERBINDET

Im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre haben Schülerinnen und Schüler einer Berliner Grundschule am Standort einer ehemaligen Synagoge Stein für Stein eine Mauer errichtet, die eine starke Botschaft zur Bedeutung von Gemeinschaft vermittelt.

 

VON SCHÜLERN FÜR SCHÜLER

Als eine Gruppe von Neuntklässlern im Jahr 2003 Rolf Joseph begegnete, waren sie von seinen Erzählungen vom Überleben im Holocaust so beeindruckt, dass sie sich intensiv mit seinem Lebensweg auseinandersetzten und ein erfolgreiches Buch über ihn schrieben. Heute regt die Joseph-Gruppe Schulklassen dazu an, sich ebenfalls mit der jüdischen Geschichte zu befassen.

 

MIT GUT ERZÄHLTEN GESCHICHTEN GEGEN INTOLERANZ

Gute Geschichten berühren uns. Hans-Dieter Graf, seine Frau Martina und seine Schwester Gabriele Graf schreiben Bücher und erzählen Geschichten, die ein Licht auf unsere gemeinsame Geschichte werfen.