Obermayer German Jewish History Award

Rolf Hofmann

Stuttgart, Baden-Württemberg

Als Rolf Hofmann von Stuttgart in die Nähe des schwäbischen Harburg im Westen Bayerns zog, hatte er nicht die Absicht, die Erinnerung an die einst dort lebenden jüdischen Familien zurückzubringen. Er hatte auch nicht vor, ihre Spuren bis in die Rocky Mountains zu verfolgen und ihre Grabsteine zu dokumentieren. Hofmann wollte einfach seiner Lebenspartnerin aufs Land folgen. Der Architekt dachte auch nicht an jüdische Geschichte, als das auffällige Gebäude in Harburg sein Interesse weckte, das einst als Synagoge diente. Aber er wollte mehr als nur einen Job im Leben machen und er wusste, dass er genügend Geld für den Kauf des Hauses hatte. "Ich dachte, ich wollte immer etwas Sinnvolles für die Gemeinschaft tun, hier ist die Möglichkeit dazu", erinnert sich der heute 62-Jährige.

Hofmann kaufte das Synagogengebäude 1986 und richtete es zu einem Kulturzentrum her. Ab 1989 lockte er mit seinem Programm Besucher aus der Region und darüber hinaus an. In den folgenden drei Jahren organisierte er mehr als 100 Veranstaltungen - von Jazzkonzerten, Literaturlesungen bis zu Kunstausstellungen. Doch trotz seines Engagements für die Gemeinschaft fühlte er sich von Lokalpolitikern und Kirchenvertretern eher wie ein unerwünschter Eindringling behandelt. Nach einer Veranstaltung mit Kundalini-Meditation, eine harmlose Art Yoga, wurden ihm gar sektenähnliche Umtriebe unterstellt. Frustriert von Missverständnissen und mangelnder Unterstützung entschied er sich 1992, seinem Projekt in Harburg eine neue Richtung zu geben. "Ich merkte, das hat keine Zukunft", erinnert er sich. "Ich engagiere mich gern, aber die Atmosphäre muss stimmen."

Durch die Arbeit in der Synagoge war Hofmann auf die reichhaltigen Quellen zur jüdischen Regionalgeschichte des Archivs im Harburger Schloss und den Jüdischen Friedhof des Ortes aufmerksam geworden. Jetzt begann er zu forschen. Er schrieb die Steuerlisten von mehreren Jahrhunderten ab, arbeitete sich durch Sterberegister und andere Akten, um ein lebendiges Bild von den Jüdischen Familien zu erhalten, die einst in der Grafschaft Öttingen gelebt hatten. "Rolf Hofmann hat wahre Sisyphos-Arbeit geleistet", sagt der Leiter des Archivs im Harburger Schloss, Wilfried Sponsel. "Mit großer Akribie und Ausdauer hatte er die Originalquellen ausgewertet, soweit sie reichen - bis in das 17. Jahrhundert."

Hofmann reinigte und dokumentierte nicht nur Grabsteine auf dem Harburger und vier anderen Jüdischen Friedhöfen , er stellte über 1000 genealogische Familienblätter zusammen. Sein persönliches Archiv und seine Internetseite www.alemannia-judaica.de/harburgproject sind eine Schatztruhe für Juden aus aller Welt, die nach ihren deutschen Wurzeln suchen. Freigiebig teilte Hofmann sein Material und seine Zeit. David Birnbaum aus Israel erinnert sich daran, wie Hofmann tagelang Archivmaterial durchforstete, um für ihn die Daten seiner Vorfahren zusammenzustellen. "Als ich dann nach Deutschland kam, betreute er mich einen ganzen Sonntag lang, fuhr mich von Friedhof zu Friedhof, koordinierte Besuche und führte mich herum - ohne etwas dafür zu verlangen." 

Mit der Zeit hat Hofmann ein internationales Netzwerk mit Kontakten zu Genealogen, Forschern und zu Juden aufgebaut, deren Familien aus der Region stammen. So sucht er sich die Kooperationspartner, um Geschichten festzuhalten, die sonst nicht mehr nieder geschrieben werden könnten. "Es ist faszinierend zu sehen, wie aus einzelnen Mosaiksteinen langsam Episoden aus dem Leben eines Menschen entstehen", sagt er.

Hofmann verfolgte die Geschichte jüdischer Familien sogar bis nach Übersee. In New York und New Orleans, wo er das Schicksal von Emigranten recherchierte, fotografierte er Grabsteine auf Friedhöfen. Die Bilder stellte er an verschiedenen Orten in Deutschland aus. Auf seiner Internetseite und in Lokalzeitungen veröffentlicht er seine Geschichten - zum Beispiel die des Emigranten Leopold Guldmann, der während des Goldrauschs in den Rocky Mountains ein Vermögen gemacht hatte, oder die Geschichte der Familie Liebman, die die berühmte Rheingold Brauerei in Brooklyn gegründet hat. "Es ist erstaunlich, wie weit er seine Fäden spinnt und was für überraschende Zusammenhänge und Details er aufdeckt", sagt der frühere Obermayer-Preisträger Joachim Hahn, der mit Hofmann kooperiert.

Heute erntet Rolf Hofmann in der Harburger Region ungeteilt Anerkennung, urteilt Petra Ostenrieder, die Leiterin des Heimatmuseum Öttingen: "Er hat einen starken Eindruck hier hinterlassen." Im nahe gelegenen Mönchsdeggingen beispielsweise gab er den Anstoß für das Engagement von Einheimischen, die die alte Mikwe (Ritualbad) wieder herrichten. Ebenfalls in Mönchsdeggingen und in Wallerstein halfen ihm Schüler von örtlichen Schulen beim Säubern der Grabsteine. Ein Ortsansässiger, der sich in Harburg um die Pflege des Jüdischen Friedhofs kümmert, macht heute Führungen, die auf dem Material von Hofmann basieren. "Rolf Hofmann hat das Thema Juden wieder präsent gemacht, das bleibt", sagt Petra Ostenrieder.

 
 

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