Obermayer German Jewish History Award
Robert Krais
Ettenheim, Baden–Württemberg
Als Robert Krais 1972 auf dem Flughafen Müchen-Riem sah, wie die Särge in die zwei El-Al-Maschinen verladen wurden, begann er zu verstehen. Er wusste vom Holocaust, doch Auschwitz war für ihn bis dahin etwas Abstraktes geblieben. Als Betreuer der Israelis im Jugendlager der Olympiade erlebte er jetzt nicht nur hautnah, wie Terroristen elf Sportler des Landes umbrachten. Er sah auch, wie der Rest der Delegation vorzeitig abreisen musste. “Hier verlassen wieder tote Juden Deutschland”, erinnert er sich an seine Gedanken. “Das war ein Schlüsselerlebnis aus dem sich alles andere danach entwickelt hat.”
Seitdem hat der 63-Jährige aus dem südbadischen Ettenheim seine Freizeit daran gesetzt, die Verständigung zwischen Deutschland und Israel zu fördern und die Erinnerung an jüdische Vergangenheit wach zu halten. “Seine Name steht in der Region für die deutsch-jüdische und christliche-jüdische Versöhnung”, sagt Martin Groß, sein Nachfolger als Vorsitzender des Deutsch Israelischen Arbeitskreises Südlicher Oberrhein (DIA). Krais hatte die Organisation 1974 mitgegründet. Als Verantwortlicher bei der Deutschen Sportjugend (DSJ) hatte der gelernte Sozialarbeiter den Aufbau des Jugendaustausches zwischen Israel und Deutschland mit in die Wege geleitet. Zuerst lud er 1970 junge Leichtathleten nach Bühl ein. Es folgten über 15 weitere Besuchsfahrten bis 1994, die er meist ehrenamtlich organisierte. Fußballer, Tischtennisspieler ebenso wie Tänzer oder Sänger nahmen daran teil, bis zu 50 pro Austausch. Meist lebten sie direkt in Familien in Deutschland oder Israel.
Krais ist überzeugt, dass Erinnerung und Versöhnung aus Begegnung entsteht. “Weder Elternhaus, noch Schule oder Jugendgrupppen haben mich für die Vertreibung der Juden sensibilisiert, das wurde mir erst durch persönliche Begegnungen bewusst”, sagt Krais. Neben Forschung machte er deshalb Begegnung zu einem wichtigen Prinzip des DIA wie auch des 1988 von ihm mitgegründeten katholischen Jugendprojektes “Erinnern und Begegnen” in der Diözese Freiburg, wo er auch arbeitet. Er organisierte zahlreiche Gespräche mit Überlebenden und Besuche in jüdischen Gemeinden in Süddeutschland und Frankreich. Krais war zudem einer der Väter der Idee eines Mahnmals für die deportierten Juden Badens.
“Er ist heute das Herz unserer Kommunikation”, sagt DIA-Vorsitzender Groß. Krais pflegt Kontakte mit hunderten Juden, die Wurzeln in der Region haben. Schon seit den achtziger Jahren bemüht er sich, dass frühere jüdische Einwohner von den Städten und Gemeinden eingeladen werden. Er führt umfangreiche Korrespondenz und veröffentlicht Artikel über das Schicksal früherer Bürger. “Mehr als einmal stand er noch bei Sterbenden am Bett, um so die Erinnerungen für die Nachwelt zu bewahren”, sagt Wolfgang Winkler, ein Freund, der ihn bei einigen Projekten unterstützte. “Er ist ein Handausstrecker, er hat immer wieder die Hand ausgestreckt und viele nahmen sie an.”
Der New Yorker Kurt Meier flüchtete aus Deutschland und dachte, er würde nie wieder zurückkehren, bis er Robert Krais traf. “Man fühlt sich sofort gut aufgehoben”, sagt Meier. “Du merkst, du kannst ihm vertrauen, eine wunderbare Eigenschaft für all die, deren Erfahrungen in Deutschland sie misstrauisch gemacht haben.” Die Überlebende Hedy Epstein sagt: “Meine Geschichte erzählen zu können, besonders in Deutschland, hat mir bei meinem persönlichen Heilungsprozess geholfen.”
Doch Krais kann auch sehr hartnäckig sein. Jahrelang kämpfte er für die Kippenheimer Synagoge. Nach 1945 hatte sie eine Raiffeisengenossenschaft bis zur Unkenntlichkeit entstellt und für den Handel mit Agrarprodukten genutzt. “Über dem Eingang stand noch auf hebräisch ‘Dies ist nichts als ein Haus Gottes’ und wir lagern Schweinefutter darin”, erinnert sich Krais. Er kämpfte bis die Gemeinde das Gebäude kaufte. Heute steht es unter Denkmalschutz und ein Förderverein von Kippenheimer Bürgern betreibt dort ein Kultur- und Begegnungszentrum. “Für mich war und ist es ein Gotteshaus”, sagt Krais, “und ein Mahnmal dafür, was wir nach dem Krieg gemacht haben.”
Ebenfalls auf seine Initiative hin wurde der jüdische Friedhof in Schmieheim in einem Memorbuch dokumentiert, das detaillierte Informationen über die fast 3.000 Beerdigten bietet. Er sammelte Spenden, um die zwei Bände an alle Juden verschicken zu können, von denen er eine Adresse hatte. Wegen einer schweren Krankheit ist die Zukunft für Robert Krais ungewiss. Doch sollte er die Möglichkeit haben, weiß er was tun möchte. In großen Kisten bei ihm Zuhause lagern zahllosen Briefe an ihn, von Juden, die einst in der Region lebten. Daraus möchte er ein Buch machen. “Diese Briefe zeugen von dem starken Wunsch, dass jemand ihre Geschichte erzählt und von der Hoffnung, dass ihre Namen nicht vergessen werden”, sagt er. Dafür arbeitet Robert Krais bereits seit mehr als 30 Jahren.
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