Obermayer German Jewish History Award

Klaus-Dieter Ehmke

Berlin

Klaus-Dieter Ehmke ist ein unkonventioneller Mensch. Das merkten auch die Einwohner des vorpommerschen Niederhof schnell, als er anfing, nach Grabsteinen des nahegelegenen fast völlig vergessenen jüdischen Friedhofs zu suchen. “Ich baue Ihre Treppe auseinander, aber sie kriegen eine neue”, erinnert er sich, habe er den Leuten gesagt, wenn er einen als Baumaterial missbrauchten Stein darin vermutete. “Treppe für Treppe habe ich so untersucht und wenn ich einen gefunden hatte, kam ich mit einer Sackkarre, um ihn abzuholen.”

Auf diese Weise fand der jugendlich wirkende 45-jährige Arzt, der seit dem Ende seines Studiums in den Achtzigern in Berlin lebt, nicht nur 15 Steine und Fragmente. Er setzte sich dafür ein, dass der “Gute Ort” vor dem Vergessen bewahrt und instand gesetzt wurde. Deutsch-jüdische Geschichte hat er zu einem Teil seines und anderer Alltag gemacht – ob er Projekte an seinem Arbeitsplatz oder in seiner Kirchengemeinde organisiert oder russischstämmigen jüdischen Künstlern aus Israel Ausstellungsmöglichkeiten in Berlin verschafft.

Ehmke, der Medizin und auch einige Semester Geschichte und Theologie studierte, wuchs im vorpommerschen Dorf Dennin auf und ging im nahen Anklam zur Schule. Schon früh interessierte sich der Sohn kirchlich stark engagierter Eltern für deutsch-jüdische Geschichte und Widerstand und Verfolgung während der Nazi-Zeit. Als er 1979 auf einer Fahrradtour den ältesten Jüdischen Friedhof Vorpommerns entdeckte, war sein Interesse deshalb schnell geweckt. “Er war vollkommen zugewachsen und die Inschriften waren kaum noch lesbar”, erinnert er sich an den Zustand des seit 1857 nicht mehr genutzten Friedhofs. Ehmke begann, sich wissenschaftlich mit dem “Guten Ort” und seinen Grabsteinen auseinander zu setzen und ihn mit Fotos zu dokumentieren - mit zu DDR-Zeiten rarem West-Farbfilm.

Bald entdeckte er, dass Grabsteine als Baumaterial oder Treppenstufen zweckentfremdet worden waren und begann, nach ihnen zu suchen. Die Leute in Niederhof beobachteten ihn zunächst misstrauisch. Für sie war er der Berliner mit dem seltsamen Spleen. Deshalb forderte Ehmke nicht einfach die Steine zurück, obwohl er manchmal ganz genau wusste, wo er welche finden würde; stattdessen trank er so manchen Schnaps am Gartenzaun und führte so manches Gespräch über den Wuchs der Kartoffeln - nur um dann die Rede darauf zu bringen, welch interessante Geschichte bestimmte Steine hätten. “Ich wollte den Leuten nie Angst machen. Sie sollten den kulturellen Wert selbst entdecken”, sagt Ehmke. Klaus Marsiske, ein Architekt und langjähriger Freund, der sich später auch an der Suche beteiligte, erinnert sich an den Erfolg dieser Taktik: “Alltägliche Situationen in charmante Begebenheiten zu verwandeln, ist eines seiner vielen Talente”, sagt er. “Am Ende dachten die Leute, sie hätten selbst entschieden, die Steine herauszugeben.”

Schon bevor Ehmke 1999 die ersten Steine entdeckte, machte er Führungen für Besucher und Dorfbewohner auf dem Friedhof. Er kümmerte sich darum, dass der Platz und die Grabsteine gesäubert wurden. Als die alten Inschriften wieder sichtbar wurden, machte er Abreibungen auf Papier und stellte sie in Berlin und in Norddeutschland aus. Eine Klasse einer örtlichen Schule half ihm bei seiner Arbeit und als Ergebnis veröffentlichten die Schüler ein kleines Buch darüber. “Ich wollte immer junge Leute einbeziehen”, erklärt Ehmke. “Was sie selbst entdecken, das bleibt in ihrer Seele.”

Aus seiner Beschäftigung mit dem “Guten Ort” erwachsen inzwischen neue Kontakte und Projekte. Dieses Jahr ist er eingeladen mit Kindern und Jugendlichen Abreibungen von Grabsteinen eines Friedhofs in Tschechien anzufertigen. Eine Konfirmandengruppe aus Anklam hat er eingeladen, ihm bei einer Ausstellung über die jüdische Geschichte der Stadt zu helfen. “Seine Aktivität ist ansteckend”, sagt die Journalistin und mit Ehmke befreundete Frederike Gänßlen, “deshalb findet er auch immer wieder Gleichgesinnte, die frei und gerne mit ihm zusammenarbeiten.”

Auch die Niederhofer machten schließlich mit. Heute muss Ehmke nicht mehr handeln wie auf einem Basar oder Familien mehrmals besuchen, um sie zur Herausgabe eines Steines zu überreden - die Leute kommen von allein und erzählen, wenn sie etwas gefunden haben. “Für mich ist das das eigentliche Wunder”, sagt er. “Sie haben angefangen, den Friedhof als etwas wichtiges anzusehen, als Teil der Dorfgeschichte.”

 
 

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