Obermayer German Jewish History Award

Johannes Bruno

Speyer, Rheinland-Pfalz

Es ist schwer zu sagen, was er eigentlich ist: Lehrer, Autor, Aktivist, Historiker, Journalist oder Stadtführer - Johannes Bruno ist eine Mischung aus allem. Und dass er für seine Freunde und Kollegen in Speyer schließlich schlicht zum "Juden Bruno" wurde - obwohl er selbst ein Christ ist -, hat einen ganz einfachen Grund:

Der gebürtige Italiener kam vor mehr als 30 Jahren in diese rheinische Stadt und hat seither eine zentrale Rolle bei der Wiederentdeckung der jüdischen Vergangenheit in Speyer gespielt. Von den Büchern und Artikeln, die er schrieb, über das von ihm initiierte Holocaust-Mahnmal und seine Schulvorträge und Stadtführungen bis hin zur Restaurierung der ältesten und größten Mikwe (rituelles jüdisches Bad) in Deutschland: Bruno hat mit seinem Engagement einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, den Speyerer Bürgern die jüdische Vergangenheit ihrer Stadt wieder ins Gedächtnis zu rufen. 

"Die Juden waren einst ein Teil dieser Stadt, und ihre Geschichte ist damit ein Teil der Stadtgeschichte", berichtet Bruno und zählt eine lange Liste jüdischer Gelehrter, Philosophen und Händler in Speyer auf, deren Ursprünge fast 1.000 Jahre zurückgehen. "Sie gehören dazu - und ich will verhindern, dass ihre Geschichte vergessen wird. Ich möchte daran erinnern, wie wichtig die Juden waren und was sie hier geschaffen haben, damit die Menschen sich verantwortlich fühlen für das, was noch da ist."

Johannes Bruno selbst lernte schon früh, was es heißt, Verantwortung zu tragen. Er wurde 1933 in Rom geboren und erinnert sich noch an den Kontakt zu jüdischen Familien in der Nachbarschaft - und ganz besonders an die Familie, der seine Mutter 1943 das Leben rettete, indem sie sie vor den Deutschen versteckte. Bruno wurde im strengen katholischen Glauben erzogen, studierte später Geschichte und Religion und ging 1958 nach Deutschland. Hier schloss er seine Ausbildung ab und nahm danach seine Tätigkeit als Lehrer an einem Gymnasium auf. Jahre später begann er sich verstärkt mit dem Judentum zu beschäftigen: Was als Hobby begann, nachdem er Bücher wie Heinrich Graetz' "Geschichte der Juden" gelesen hatte, wurde schließlich zur Passion, als er die Archive von Speyer entdeckte und sich dort in die alten Zeitungen, Dokumente und Bücher vertiefte. Bruno führte seine Recherchen über mehrere Jahrzehnte und schrieb Artikel für lokale Zeitungen, bevor er im Jahr 2000 sein erstes Buch herausbrachte - ein 300 Seiten umfassendes Geschichtswerk mit dem Titel "Schicksale Speyerer Juden 1800 bis 1980". Vier Jahre später erschienen unter dem Titel "Die Weisen von Speyer oder Jüdische Gelehrte des Mittelalters an der hiesigen Talmudschule" seine fundierten Studien zum Judentum im Mittelalter.

"Ich war beeindruckt von der Tiefe und Breite des Wissens von [Bruno] über die jüdische Geschichte, jüdische Gebräuche und den jüdischen Gottesdienst", so Gunther Katz, ein in Speyer geborener Überlebender des Holocaust, zu dem Buch. Er lobt Bruno auch für sein "unermüdliches Engagement für das Gedenken an das, was die jüdische Bevölkerung von den Ursprüngen bis heute in Speyer geschaffen hat".

Neben seinen Büchern ist Bruno vor allem bekannt für seine Führungen durch die historische Mikwe, dem zentralen jüdischen Ort in Speyer, deren Restaurierung er im vergangenen Jahr federführend begleitete. In den letzten Jahren hat er Tausende Besucher in den Untergrund geführt, um ihnen das Badehaus aus dem 12. Jahrhundert zu zeigen. Auf seinen Führungen durch die Stadt zeigt er den Besuchern die Geschäfte, die früher von Juden betrieben wurden, die Häuser, in denen sie einst lebten, und die Ruinen der alten Synagoge und auf dem Friedhof.
Natürlich führt er sie auch zu dem Mahnmal, an dessen Errichtung er selbst beteiligt war und für dessen prominenten Standort gegenüber der alten Synagoge er kämpfen musste. Die Gedenkstätte ehrt die 71 Speyerer Juden, die dem Holocaust zum Opfer fielen. 

"Ich freue mich immer auf diese Führungen", so Bruno. "Ich rede gerne mit den Menschen und schätze es sehr, wenn sie Fragen stellen. Ich versuche ihnen zu erklären, dass die jüdische Religion unser Ursprung ist, dass Juden und Christen gemeinsame Wurzeln haben und zusammengehören."

Es überrascht daher nicht, dass Bruno für seine Arbeit viel Anerkennung und Unterstützung erfahren hat.

"Die Arbeit von Herrn Bruno war sehr wichtig für die Wiederentdeckung dessen, was Juden für diese Stadt geleistet haben", sagt Matthias Nowak, ein Sprecher des Bürgermeisteramts von Speyer, der bei der Restaurierung der Mikwe und anderen Stadtprojekten mit Bruno zusammengearbeitet hat. "Lange Zeit schienen jüdische Errungenschaften in Speyer fast in Vergessenheit geraten zu sein. Bruno hat sich der Erforschung dieser Geschichte gewidmet und sie der Allgemeinheit zugänglich gemacht."

Das heißt nicht, dass er all seine Pläne erfolgreich umsetzen kann: So wurde zum Beispiel seine Initiative zur Umbenennung einer Straße in Speyer nach Betty Blum, einer ehemaligen jüdischen Lehrerin, Geschäftsfrau und lokalen Persönlichkeit, abgelehnt.

Selbstverständlich setzt Bruno seine Arbeit fort: Neben seinen Führungen und dem Schreiben von Artikeln über jüdische Veranstaltungen für die Lokalpresse ist er vor kurzem an die russisch-jüdische Gemeinde mit ihren etwa 300 Mitgliedern herangetreten, um die Möglichkeiten zum Bau einer neuen Synagoge zu erörtern.

Doch nicht nur sein soziales Engagement ist bewundernswert - auch in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit hat Bruno äußerst Beeindruckendes vollbracht: Mit 73 Jahren hat er sein drittes Buch vollendet, das 2007 unter dem Titel "Das Mahnmal für die Jüdischen Opfer der Naziverfolgung, 1933-1945: Chronik der Speyerer Gedenkstätte" erscheinen wird. Er beschreibt darin die persönlichen Biographien aller Speyerer Juden, die dem Holocaust zum Opfer fielen - und hält auf diese Weise einen weiteren Teil der Geschichte seiner Wahlheimat fest.

"Ich will verhindern, dass diese Menschen vergessen werden", so Bruno. "Ich möchte ihr Andenken erhalten, damit jeder sich daran erinnert, was geschehen ist - und damit so etwas niemals wieder geschieht."

 
 

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