Obermayer German Jewish History Award

Gerhard Jochem und Susanne Rieger

Nürnberg, Bayern

Mehr als 200 Besucher begrüßen Susanne Rieger und Gerhard Jochem aus Nürnberg jeden Tag, die meisten bekommen sie nie zu Gesicht. Trotzdem schmieden sie mit einigen sogar Pläne, verwirklichen gemeinsame Projekte oder erzählen sich manchmal einfach nur Witze.

Die Gastfreundlichkeit des Paars hat sich durch ihre zweisprachige Internetseite RIJO ausgedehnt. Es ist eine Art virtueller Treffpunkt, eine Plattform für deutsch-jüdischen Austausch und zugleich digitaler Gedenkstein sowie reichhaltige Informationsquelle für die Nazi-Zeit und andere Geschichtsthemen. Am Abend, am Wochenende und auch im Urlaub bestimmt die Arbeit an der Seite oft den Terminplan des Paars. „Ich nenne es immer meine ‚Nachtschicht‘“, sagt Susanne Rieger.

Tagsüber ist Jochem, 36, Stadtarchivar, Rieger Beamtin; die Frage nach ihrem Alter überhört sie. In den vergangenen Jahren, haben die beiden kontinuierlich die Geschichte von Juden und anderen Nazi-Opfern in München, Fürth, Nürnberg und weiteren Orten in Bayern erforscht. Für Datenbanken stellten sie Material zur Verfügung und kooperierten bei Projekten zur jüdischen Geschichte und Genealogie mit Personen und Institutionen auf der ganzen Welt. Ihre Kontakte mit Überlebenden nutzen sie, um in ihrem Wohnort, die Aufarbeitung der Vergangenheit zu fördern – sie setzen sich für Gedenksteine ein, regen Filme an und organisieren Diskussionen. Darüber hinaus engagierten sie sich für die Entschädigung von Zwangsarbeitern, indem sie mit Opferorganisationen zusammenarbeiteten und halfen, Druck auf örtliche Unternehmen auszuüben.

Viele, die Kontakt zu Jochem und Rieger aufnehmen, bekommen umfangreiche Hilfe gewährt. Aber sie sehen nur wenig von den Persönlichkeiten, die dahinter stehen. Michael Bernet wurde in Nürnberg geboren und lebt heute in New York. Er beschreibt Jochem als einen Menschen, der wenig Respekt vor Autoritäten und sozialen Konventionen zeigt, gepaart mit einer großen Hingabe. Der in Fürth geborene Willie Glaser, 82, hat intensiv mit beiden an Texten gearbeitet, die nun auf der Web-Seite präsentiert werden. „Es ist schwer einzelne Eigenschaften herauszugreifen“, sagt der Kanadier. „Sie haben sich ganz der deutsch-jüdischen Sache verschrieben.“

Jochem und Rieger stehen nicht gern selbst im Mittelpunkt. Sie reden lieber über ihr Projekt RIJO (www.rijo-research.de). Im Jahr 1997 kam Jochem durch die Arbeit an einem Gedenkbuch für die Nürnberger Shoa-Opfer in Kontakt mit Überlebenden der Nazi-Zeit. Während der Recherchen stieß er auf viel biographisches Material und bekam viele Anregungen für Themen – mehr als er in dem Buch unterbringen konnte. Beeindruckt von Gerhards Erfahrungen bei der Arbeit, begann Susanne ebenfalls zu recherchieren. Schließlich entschieden beide, die beste Art und Weise, ihre Ergebnisse zugänglich zu machen, sei das Internet. Offizielle Unterstützung bekamen sie nicht. Dennoch liegen für Rieger die Vorteile auf der Hand. „Wir sind unabhängig, wir können schreiben worüber wir wollen und es gibt keine Deadlines“, erklärt sie.

Nicht durch raffiniertes Design will die Web-Seite beeindrucken, sondern mit profunden Inhalten – wie den Abhandlungen zur frühen Geschichte jüdischer Gemeinden in Bayern, den kommentierten Stadtplänen von Cham oder Nürnberg, den katalogisierten Informationen über deutsche Archive oder den Erlebnisberichten, zu denen Überlebende beigetragen haben. Willie Glaser zum Beispiel, berichtet über das Leben seiner Familie in den frühen vierziger Jahren in Fürth. Darüber hinaus beschrieb er seine Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs als deutschstämmiger Soldat in der polnischen Armee. „Ich wollte immer Zeugnis von meinen Erinnerungen ablegen“, sagt er. „Gerhard Jochem gab mir die Möglichkeit dazu.“

Nachhaltig war die Wirkung der Internetseite mit ihren Inhalten auf so manchen Besucher. Michael Bernet kann durch sie einen Ort wieder erleben, der nur noch in seiner Erinnerung existierte. „Ich bin wieder in meinem Zuhause, in meiner Schule und meiner Synagoge“, sagt er. „Ich habe Freundschaft geschlossen mit Familienmitgliedern, die vor 100 Jahren gestorben sind, Ich lief auf den alten Straßen (an viele erinnere ich mich noch), Ich höre die alten Geräusche und ich rieche die alten Gerüche.“

 
 

THIS WALL BRINGS PEOPLE TOGETHER

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STUDENTS REACHING STUDENTS

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“I SPEAK FOR THOSE WHO CANNOT SPEAK”

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