Obermayer German Jewish History Award

Christiane Walesch-Schneller

Breisach am Rhein, Baden-Württemberg

In Breisach in Baden steht ein Haus, das bis 1940 ein Zentrum jüdischen Lebens in der Stadt war. Noch vor wenigen Jahren zum Abriss freigegeben, ist das “Blaue Haus” heute erneut ein Ort für Austausch, Forschung, Bildung und Kultur – und inzwischen wieder ein Anlaufpunkt für eine neue Generation deutscher Juden. “Wir wollen die Geschichte wieder lebendig machen”, sagt Christiane Walesch-Schneller, Vorsitzende des für den Erhalt des Hauses verantwortlichen Vereins, “nicht allein, sondern zusammen mit Juden, die Wurzeln in Breisach haben oder die an dem Projekt interessiert sind.” 

Zusammen mit anderen gründete die 53-Jährige in Hannover aufgewachsene Psychoanalytikerin den “Förderverein Ehemaliges Jüdisches Gemeindehaus in Breisach”, um das historische Gebäude zu erhalten. Der Förderverein erforscht die lokale deutsch-jüdische Geschichte, organisiert Besuchs- und Austauschprogramme und bietet Symposien, Ausstellungen, Vorträge und Konzerte an. Drei unlängst nach Breisach gezogene jüdische Familien haben begonnen, ein mal im Monat einen Gottesdienst in dem Zentrum zu feiern. “Es ist ein Versuch, wieder lebendige Beziehungen aufzubauen”, erklärt Walesch-Schneller. So viele Menschen wie möglich an der Vereinsarbeit und am Dialog zu beteiligen, ist ihr Ziel. Der Förderverein soll keine Institution sein, zu der die Beschäftigung mit der Vergangenheit abgeschoben werden kann. Sie gibt sich nicht damit zufrieden, dass der Bürgermeister am 9. November (dem Jahrestag der Reichspogromnacht) mit einem Kranz kommt, sie gibt keine Ruhe, bis die Stadt die jüdische Geschichte als Teil der eigenen Vergangenheit begreift”, sagt Günter Boll, ein Vereinsmitglied und bereits mit dem Deutsch-Jüdischen Geschichtspreis ausgezeichnet.

Walesch-Schneller brauchte Zeit, bevor sie aktiv wurde. In der Schule erfuhr sie nichts über die Nazi-Zeit, in ihrer Familie wurde nicht darüber gesprochen. Doch die Schulfreundschaft mit der Tochter eines Holocaust-Überlebenden löste viele Fragen und ein Gefühl der Unruhe aus. Sie verharrte in rastloser Sprachlosigkeit, bis sie 1998 Josef Kornweitz traf. Der Psychoanalytiker hatte bereits mit Nachkommen von Holocaust-Opfern gearbeitet und ermutigte Walesch-Schneller zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Heute ist er Mitglied und Berater des Fördervereins. “Er half mir, die Hemmschwelle abzubauen”, sagt sie. Aus dem “ob” wurde ein “wie”.

Im Juni 1999 erzählte ihr der früherer Breisacher Ralph Eisemann, dass das “Blaue Haus“ einst das Jüdische Gemeindezentrum gewesen war. Diese Information löste einen Energieschub aus, der in raschem Handeln mündete - fast als ob so die in Sprachlosigkeit verlorene Zeit wieder aufgeholt werden könnte. Der damalige Hauseigentümer wollte das Gebäude schon abreißen. “Ich fragte den Besitzer, ob er ein halbes Jahr warten könne”, erinnert sich Walesch-Schneller. In diesen sechs Monaten wurden Mitstreiter angesprochen, Seminare für sie abgehalten, Geld beschafft und jede Woche eine Veranstaltung organisiert. Die ganze Zeit blieb jedoch unklar, ob es genug Unterstützung und Geld geben würde. Acht Breisacher waren es am Anfang, die einen Förderverein zur Rettung des “Blauen Hauses” gründen wollten, im November 1999 gab es bereits 40 Mitstreiter. Sein erstes Ziel erreichte der Verein im Juli 2000 mit dem Kauf des Hauses. 2003 wurde die Restaurierung abgeschlossen. Inzwischen gibt es 240 Mitglieder im Verein. Doch die Beschäftigung mit der Vergangenheit und das Wiederanknüpfen an alte Beziehungen bleibt nicht ohne Konflikte. Im Jahr 2000 entdeckte Walesch-Schneller, dass ein in Auschwitz gefürchteter hochrangiger SS-Offizier immer noch ein vom Staat bezahltes Ehrengrab in der Region hatte. Sie recherchierte den Fall und half ihn zu veröffentlichen. Um der Sache zu dienen, exponiere sie sich auch, sagt Boll, selbst wenn das nicht immer für vergnügliche Mienen bei Offiziellen sorge.

Diesen Schwierigkeiten zum Trotz – Christiane Walesch-Schnellers Engagement hat bereits jetzt mehr geschaffen als nur Kontakte zu Nachfahren früherer jüdischer Breisacher. Ihre Arbeit “hat bei uns, den früheren Mitgliedern der Jüdischen Gemeinschaft von Breisach und deren Nachkommen, einen neuen Sinn von Zugehörigkeit und Harmonie geschaffen”, sagt Carl Steeg, dessen Mutter hier lebte. Für Steegs Cousine Elaine Wolff ist die Wirkung noch etwas persönlicher. “Breisach bedeutet mir inzwischen wirklich viel”, sagt sie, “nicht nur weil es im Leben meiner Mutter so wichtig war, sondern auch wegen der Verbindungen, die ich zu den Freunden meiner Mutter, neu entdeckten Familienmitgliedern und zu der ständig wachsenden Zahl von Christianes Mitstreitern aufgebaut habe.”

 
 

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