Obermayer German Jewish History Award
Barbara Staudacher und Heinz Högerle
Rexingen, Baden-Württemberg
Mancher Weg beginnt unerwartet. Bei Barbara Staudacher und Heinz Högerle stand am Anfang ihrer Reise in die deutsch-jüdische Geschichte der Umzug von Stuttgart ins Dorf Rexingen im Jahr 1999. Auf einem Hügel in der Nähe ihres Hauses entdeckten sie eines Tages den jüdischen Friedhof. Mit seinen etwa 1.000 Grabsteinen "gehört der Friedhof zu den größten in Baden-Württemberg", erklärt die 67-jährige Staudacher. "Unser Interesse war geweckt."
In der Folge tauchte das Paar - eine ehemalige Buchhändlerin und ein Verleger - mit vereinten Kräften tief in die jüdische Geschichte ihres Ortes ein und veröffentlichte Bücher und andere Schriften über das einstige jüdische Leben in Rexingen. Ihre fundierte Arbeit trägt zur Bewahrung der Geschichte bei und stellt die Verbindung ehemaliger Rexinger zur Vergangenheit ihrer Familien her.
Ebenso wichtig ist, dass sie enge Kontakte zu jüdischen Familien, vor allem aus den USA und Israel, knüpfen konnten, deren Wurzeln in Rexingen liegen. Für Staudacher und Högerle ist es mehr als ein Lebenswerk.
In der Jugend "erfuhr ich nichts über das Judentum", erklärt der 61-jährige Högerle. "Ich kannte keine Juden. Und dann kamen wir nach Rexingen und stellten plötzlich fest, dass es diese lebendige jüdische Gemeinde gegeben hatte." Im Jahr 2000 traten sie dem "Träger- und Förderverein Ehemalige Synagoge Rexingen" bei, den Michael Theurer, damals Bürgermeister der nahegelegenen Stadt Horb, 1997 gegründet hatte. Dank des Vereins war die Synagoge damals schon wieder als solche hergestellt, nachdem sie jahrelang als Kirche genutzt worden war.
Über die Juden selbst gab es jedoch nur sehr wenige Informationen, und so machte sich das Paar an die Recherche in den Archiven. Högerle arbeitete z. B. an einer umfassenden, 424 Seiten starken Dokumentation zu den Gräbern auf dem Friedhof: "In Stein gehauen. Lebensspuren auf dem Rexinger Judenfriedhof".
Schließlich reisten die beiden auch nach Amerika und Israel, auf der Suche nach den Rexinger Juden und ihren persönlichen Schicksalen, denn sie wollten nicht einfach nur Geschichte dokumentieren. Laut Theurer (43), heute Mitglied des Europäischen Parlaments, waren Staudacher und Högerle überzeugt, "dass es nicht genügt die ehemalige Synagoge wiederherzustellen, den Friedhof zu dokumentieren und die Menschen mit guten Vorträgen zu informieren. Wir sollten auch Kontakt zu den Menschen aufnehmen, die fliehen mussten oder ihre Verwandten verloren. Wir müssen versuchen wieder Freundschaft aufzubauen." Die beiden fanden heraus, dass 1933 noch 262 Juden in Rexingen lebten. 1938, als die Verfolgung durch die Nazis schärfer wurde, wanderte eine Gruppe von 40 Juden gemeinsam nach Palästina aus und beteiligte sich dort am Aufbau der Gemeinde Shavei Zion. "Sie wollten zusammenbleiben und eine neue Gemeinde gründen - und diese Gemeinde besteht bis heute", berichtet Staudacher.
Im Jahr 2001 kam eine Gruppe ehemaliger Rexinger Mitbürger aus Israel zu Besuch, gefolgt von einem Gegenbesuch des Paares Staudacher/Högerle im darauffolgenden Jahr. Ihre Recherchen und Interviews mündeten in eine Ausstellung und später in ein wunderschönes Buch, das die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Rexingen über Hunderte von Jahren dokumentiert, bis hin zur Gründung von Shavei Zion.
Zur Eröffnung der Ausstellung im Jahr 2008 reisten aus Israel 20 Menschen aus 4 Generationen an, deren Wurzeln in Rexingen liegen; um die 600 Besucher kamen aus der Region. Staudacher und Högerle führten die israelischen Besucher zu den Gräbern ihrer Familien und zu den Häusern, in denen sie gelebt hatten. Mitgebracht hatten sie Fotoposter von den ursprünglichen Bewohnern dieser Häuser. "Vor jedem Haus, zu dem wir kamen, stellten Barbara und Heinz eines der Poster auf eine Staffelei und erzählten die Geschichte der Bewohner", erinnert sich Israel Shapiro aus Haifa, Israel, in seinem Nominierungsschreiben. "Es erübrigt sich zu sagen, dass alle zutiefst bewegt waren."
Seitdem wurde die Ausstellung an vielen Orten in Deutschland sowie in Jerusalem und Shavei Zion gezeigt. Das Paar ergänzt die Ausstellung kontinuierlich mit weiteren Informationen, die sich durch den stetig wachsenden Kreis von Kontaktpersonen und persönliche Beziehungen ergeben. "Für uns ist dieser emotionale Prozess sehr spannend, der zwischen den drei Ländern - Israel, Deutschland und Amerika - in Gang gekommen ist", so Högerle. "Die Verbindungen sind inzwischen sehr eng", fügt Staudacher hinzu, die auch jüngere Menschen für die Fortführung ihrer Arbeit gewinnen möchte.
Neben der Dokumentation zum Rexinger Friedhof und ihren regelmäßig erscheinenden Newslettern und Schriften zu wichtigen Orten haben Staudacher und Högerle auch zahlreiche weitere Publikationen herausgebracht, z. B. ein 300 Seiten umfassendes, großzügig bebildertes Buch zum Leben in Shavei Zion und zur 70-jährigen Geschichte der Gemeinde (zweisprachig Deutsch und Hebräisch), eine Dokumentation zum Friedhof im nahegelegenen Muhringen sowie Broschüren zu den jüdischen Flüchtlingen aus Rexingen und über die örtlichen jüdischen Viehhändler.
Doch damit sind Staudacher und Högerle noch längst nicht am Ziel: "Es ist immer noch ein großer Berg an Forschungsarbeit zu bewältigen", meint Högerle. In diesem Winter fotografiert und interviewt ein Fotograf ehemalige Rexinger in Amerika. In einem ehemaligen jüdischen Betsaal in Horb soll ein neues Museum eingerichtet werden, und derzeit entsteht ein lokales Netzwerk von Lehrern, die sich dafür einsetzen, jüdische Lokalgeschichte in den Lehrplan aufzunehmen. Gemeinsam mit Theurer haben Staudacher und Högerle bereits verschiedenste kulturelle und Bildungsveranstaltungen zur Geschichte der Juden in Horb sowie einen Schüleraustausch mit Israel ins Leben gerufen. Die deutschen Schüler helfen auch bei der Pflege des jüdischen Friedhofs in Rexingen auf dem Hügel, an dessen Fuß Staudacher und Högerle leben.
"Sie haben hier wirklich etwas verändert", erklärt Theurer: "Sie haben die Herzen der Familien in Rexingen ebenso geöffnet wie die Herzen der Familien von Shavei Zion und deren Nachkommen, und sie haben die Menschen zusammengeführt."
THIS WALL BRINGS PEOPLE TOGETHER
Students at this Berlin elementary school, built on the site of a synagogue, have been building a wall for the past two decades. It delivers a powerful message about community.
STUDENTS REACHING STUDENTS
When a handful of ninth graders from Berlin met Rolf Joseph in 2003, they were inspired by his harrowing tales of surviving the Holocaust. So inspired that they wrote a popular book about his life. Today the Joseph Group helps students educate each other on Jewish history.
“I SPEAK FOR THOSE WHO CANNOT SPEAK”
Margot Friedländer’s autobiography details her struggles as a Jew hiding in Berlin during World War II. Now 96, she speaks powerfully about the events that shaped her life and their relevance today.